Zukunft gestalten - Arbeit finanzieren

In einem Round Table Gespräch mit Vertreter:innen aller Parteien hat arbeit plus Österreich auf die prekäre Lage Sozialer Unternehmen aufmerksam gemacht und die Fragen gestellt: Was ist die Strategie der einzelnen Parteien, um strukturelle Langzeitbeschäftigungslosigkeit zu reduzieren - und welche Rolle spielen Soziale Unternehmen dabei?

Der Arbeitsmarkt hat sich nach Corona unerwartet schnell erholt, die Beschäftigung war auf einem Rekordniveau. Angesichts der Rezession seit Jahresende 2023 ändert sich das nun wieder. Langzeitbeschäftigungslosigkeit ist ein anhaltendes Phänomen am österreichischen Arbeitsmarkt. 2023 waren 75.000 oder 28 % aller Arbeitssuchenden langzeitbeschäftigungslos.

Menschen sitzen am Podium bei einer Diskussion
© arbeit plus/Elisabeth Blum

Potenzial besser nutzen

„Für die Sozialen Unternehmen bedeutete die gute Arbeitsmarktlage, dass viele arbeitsfähige Menschen vermittelt werden konnten und die Menschen, die sie heute betreuen, mit vielen Herausforderungen konfrontiert sind. Besonders belastet sind die Jugendlichen vor dem Berufseintritt und Menschen mit psychischen Belastungen,“ so Sabine Rehbichler, Geschäftsführerin von arbeit plus - Soziale Unternehmen Österreich.

Mit dem Begriff der „Langzeitbeschäftigungslosigkeit“ misst das AMS, wie viele Menschen arbeitsmarktfern sind. Es handelt sich dabei um Personen, die seit mehr als einem Jahr ohne Unterbrechung beim AMS gemeldet sind. Diese Menschen brauchen die Sozialen Unternehmen, damit sie am Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen können. Betroffen sind vor allem Ältere, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Menschen mit Migrationshintergrund und solche, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen.

„Im letzten Jahr konnten durchschnittlich 25.000 Menschen in den Sozialen Unternehmen eine vorübergehende Beschäftigung erhalten und 200.000 Beratungen durchgeführt werden. Nach Ende der Teilnahme waren über 35 % der Menschen erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert. Damit haben wir mit den Sozialen Unternehmen in Österreich ein funktionierendes Modell, um langzeitarbeitslose Menschen beim beruflichen (Wieder-)Einstieg unterstützen,“ so Manuela Vollmann, Vorstandsvorsitzende von arbeit plus.

„Das Potenzial der Sozialen Unternehmen könnte besser genutzt werden, denn die Klient:innen sind psychisch und finanziell belastet – und benötigen entsprechend mehr Betreuung,“ so Sabine Rehbichler. „Außerdem haben die Sozialen Unternehmen neben dem sozialen auch einen ökonomischen und ökologischen Mehrwert: Sie sind wichtige Impulsgeber für die Wirtschaft und tragen durch Geschäftsfelder in der Kreislaufwirtschaft zu den Klimazielen bei. Aber anstatt bestehende Strukturen auszubauen, sind Soziale Unternehmen immer wieder von finanzieller Unsicherheit und von Kürzungen bedroht.“
In einem Round Table Gespräch mit Vertreter:innen aller Parteien hat arbeit plus Österreich auf die prekäre Lage Sozialer Unternehmen aufmerksam gemacht und die Fragen gestellt: Was ist die Strategie der einzelnen Parteien, um strukturelle Langzeitbeschäftigungslosigkeit zu reduzieren - und welche Rolle spielen Soziale Unternehmen dabei?

Elisabeth Vollmann (li) und Sabine Rehbichler; © arbeit plus/Elisabeth Blum

Soziale Unternehmen - wichtiger Bestandteil der Arbeitsmarktpolitik

Bettina Zopf (ÖVP): „Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Problem für all jene, die davon betroffen sind. Es ist immer auch abhängig von der Wirtschaftslage, was gerade gebraucht wird. Daher müssen wir Anreize setzen, dass Langzeitarbeitslose einen niederschwelligen Zugang zu Bildung und Qualifizierung erhalten und ihre Ausbildung in die richtige Richtung gelenkt wird. Da können Institutionen wie arbeit plus unterstützen – es ist ja auch in unserem Interesse, die dringend benötigten Fachkräfte zu finden.“

Markus Koza (Grüne): „Das beste Rezept gegen Langzeitarbeitslosigkeit ist Qualifizierung. Da denke ich, dass uns mit dem Schulungszuschlag neu ein wesentlicher Schritt gelungen ist: Wenn wir vom Fachkräftemangel reden, dann müssen wir den Menschen auch die Chance geben, Fachkräfte zu werden. Für ältere Arbeitslose wäre es attraktiv, den Menschen eine Perspektive bis zur Pension zu geben – ähnlich wie die Aktion 20.000 oder die Aktion Sprungbrett. Da waren einerseits Menschen in Sozialen Unternehmen beschäftigt und andererseits in Wirtschaftsbetrieben, wo sie begleitet wurden. Diese Initiativen in irgendeiner Form weiterzuführen, halte ich für sehr vernünftige Maßnahmen.“

Dagmar Belakovitsch (FPÖ): „Eine Arbeit zu haben bedeutet ja auch Sinn, Struktur und Teilhabe am sozialen Leben. Die Sozialen Unternehmen sind das Bindeglied zwischen Betroffenen, dem AMS und dem ersten Arbeitsmarkt. Es braucht Geduld und Fingerspitzengefühl, um zu schauen, was individuell möglich ist. Insgesamt bin ich der Meinung, dass ein Land wie Österreich es sich leisten kann, 30.000 Menschen, also die Hälfte der langzeitarbeitslosen Menschen, die es vielleicht allein nicht schaffen, mitzutragen.“

Gerald Loacker (NEOS): „Die Zielgruppe der langzeitarbeitslosen Menschen ist eine diverse Zielgruppe. Wir sollten da genauer hinschauen und uns fragen: Warum ist der Anteil der langzeitarbeitslosen Menschen in Österreich höher als in anderen europäischen Ländern? Auch wenn ich mich jetzt damit nicht beliebt mache: ich denke, ein degressives Arbeitslosengeld würde die Menschen dazu bringen, sich früher nach einem Job umzuschauen und nicht lange arbeitslos bleiben.“

Sandra Breiteneder (SPÖ): „Langzeitarbeitslosigkeit ist kein individuelles Problem, sondern es ist ein Problem für die Gesellschaft. Wir bewegen uns zwischen den Polen, dass einerseits Menschen 50+ nicht mehr zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden - und andere arbeiten sollen, auch wenn sie gesundheitlich angeschlagen sind. Deshalb brauchen wir einen zweiten Arbeitsmarkt und Projekte und Strukturen, die nachhaltig bestehen. Ich denke zB. an einen Fahrtendienst in Ebensee, an Postpartner in den Regionen oder Sozialcafés in kleinen Gemeinden.“

Alle Diskutant:innen am Runden Tisch sind sich einig, dass Soziale Unternehmen ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsmarktpolitik sind. Es wurde über den arbeitsmarktpolitischen Beitrag der Sozialen Unternehmen diskutiert und was es braucht, um diesen noch stärker leisten zu können.

Zum Abschluss überreicht Sabine Rehbichler ein Positionspapier mit den Forderungen der Sozialen Unternehmen für eine kommende Regierungsperiode: „Wir fordern eine ressortübergreifende, längerfristige Finanzierung von Sozialen Unternehmen bei der alle Instrumente, wie die öffentliche Vergabe und Wirtschaftsförderungen systematisch zum Einsatz kommen. In diesem Sinne wollen wir gemeinsam Zukunft gestalten – dazu gehört es auch, Arbeit vorübergehend zu finanzieren,“ bringt Sabine Rehbichler das gemeinsame Anliegen noch einmal auf den Punkt. „Wir von arbeit plus werden jedenfalls dranbleiben, und stehen mit unserer Expertise gerne für weiteren Austausch und Inputs zur Verfügung!“

Mann mit Mikro
Gerald Loacker; © arbeit plus/Elisabeth Blum

Dieser Text ist im Rundbrief Juli/August erschienen.

Zurück

GEFÖRDERT VON:

Logo Arbeitsmarktservice Logo Soziales Oberösterreich Logo Sozialministeriumservice