Ende 2023 wurde die Vollzugspraxis der Sozialhilfe in Linz von oö. Sozialorganisationen öffentlichkeitswirksam zum Thema gemacht. Es konnten einige erfreuliche Verbesserungen mit dem Magistrat erreicht und eine konstruktive Gesprächsbasis etabliert werden.
2019 wurde das System der bedarfsorientierten Mindestsicherung, das Mindestvorgaben von Leistungen im letzten sozialen Auffangnetz vorsah, durch das bundesweit gültige Sozialhilfe-Grundsatzgesetz sowie bundeslandspezifischer Ausführungsgesetze mit Leistungshöchstsätzen abgelöst. Diese Verschlechterung und andere Rückschritte hat die Sozialplattform Oberösterreich bereits bei den Gesetzesbegutachtungsverfahren kritisiert. Auch in der Arbeit von Sozialorganisationen zeigten sich alte und neue Problematiken für die Bezieher:innen der Sozialhilfe, die unter anderem im von der Sozialplattform Oberösterreich koordinierten „Praxisforum Sozialhilfe“ thematisiert wurden.
Vollzugspraxis in Linz
Ebenso deutlich zeigten sich Handlungsspielräume von unterschiedlichen Bezirksverwaltungsbehörden in der Vollzugspraxis der Sozialhilfe in Oberösterreich, und dadurch unterschiedliche Vollzugspraxen innerhalb des Bundeslands bei der Nutzung von gesetzlich möglichen Ermessensspielräumen. In der zweiten Jahreshälfte 2023 wurde schließlich eine sich verschlechternde Situation in der Zusammenarbeit mit der Sozialhilfe-Behörde in Linz sichtbar. Die Wahrnehmungen der Sozialorganisationen betrafen unter anderem folgende Aspekte:
- kein persönlicher/ telefonischer Kontakt von Antragsteller:innen bzw. Bezieher:innen mit Sachbearbeiter:innen möglich, um ihre individuelle Situation vollumfänglich vorbringen zu können separate und für Sozialhilfebezieher:innen schwer erfüllbare Vorgaben des Magistrats für bereits vom AMS betreute Sozialhilfebezieher:innen hinsichtlich Bewerbungsaktivitäten
- eine Häufung von Fällen, in denen eine Verfolgung von Unterhaltsansprüchen sowohl von Eltern gegenüber ihren Kindern als auch umgekehrt verlangt wird.
Abgestimmte Aktivitäten
Mehrere Gespräche mit Politik und Verwaltung im Laufe des Jahres 2023 folgten, ohne dass Sozialorganisationen eine verbesserte Kooperationsbasis mit dem Magistrat Linz wahrnahmen. Dies führte dazu, dass kurz vor Weihnachten 2023 in Summe 23 Sozialorganisationen aktiv wurden und durch Medienarbeit unter anderem oben angeführte Problematiken bei der Vollzugspraxis in Linz in die breite Öffentlichkeit gebracht wurden.
Parallel zur Vorbereitung der Medienaktivitäten wurde das Gespräch mit Magistratsdirektorin Ulrike Huemer gesucht. Die ranghöchste Beamtin der Landeshauptstadt erklärte in einem Gespräch im Dezember 2023, dass bereits ein Veränderungsprozess im Magistrat Linz bezüglich der Vollzugspraxis zum Thema persönliche Termine und Vorgaben zu Bewerbungsaktivitäten im Sinne der aufgebrachten Kritikpunkte geplant ist. Magistratsdirektorin Ulrike Huemer kündigte außerdem an, Ermessensspielräume bei der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen juristisch auszuloten. Ein weiterer Austauschtermin der Bezirksverwaltungsbehörde mit Vertreter:innen der oö. Sozialorganisationen wurde für Anfang 2024 vereinbart, um die Wirksamkeit von Änderungen gemeinsam zu reflektieren.
Anfang April folgte die Einladung seitens der Bezirksverwaltungsbehörde zur gemeinsamen Reflexion. Im Austausch mit der Magistratsdirektorin und dem zuständigen Geschäftsbereichsdirektor Helmut Mitter konnten die Vertreter:innen der Sozialorganisationen Michaela Haunold (Caritas OÖ) und Josef Pürmayr (Sozialplattform OÖ) über bereits bei den NGOs und Bezieher:innen spürbare Verbesserungen berichten.
Reflexion veränderter Vollzugspraxis
Es gibt bei arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger:innen wesentliche Erleichterungen beim Umfang der Bewerbungsvorgaben und beim Nachweis der Erfüllung der Bemühenspflicht um Arbeitsmarktintegration. Persönliche Kontakte mit den Sachbearbeiter:innen sind auf Verlangen der Bezieher:innen möglich. Bei der im Grundsatz- als auch Ausführungsgesetz festgehaltenen Notwendigkeit zur Verfolgung von Unterhaltsansprüchen stellte das Magistrat Linz in Aussicht, stärker Ermessensspielräume nutzen zu wollen, was die „Aussichtslosigkeit“ oder „Unzumutbarkeit“ betrifft. Hier verweist der Magistrat auch auf die Wichtigkeit von z.B. schriftlich vorgelegten Sozialanamnesen der betreuenden Organisationen, etwa wenn Unterhaltsklagen eine Zerrüttung des familiären Unterstützungssystems zur Folge hätten.
Auch hinsichtlich anderer von Sozialorganisationen aufgezeigter Problematiken in der Vollzugspraxis wurden von den Vertreter:innen des Magistrats Veränderungen kommuniziert: Bei Sanktionen wurde das Vorgehen dahingehend geschärft, dass immer die geringstmögliche Streichung von Bezügen zuerst ergriffen wird. Ebenso wird die Dauer der Gültigkeit von Bescheiden grundsätzlich mit sieben Monaten nach unten begrenzt – im Regelfall wird es keine kürzeren Befristungen geben. Am Ende dieses konstruktiven und guten Austauschs wurden weitere Gespräche zwischen Bezirksverwaltungsbehörde und Vertreter:innen der oö. Sozialorganisationen in Aussicht gestellt, um Entwicklungen beim Sozialhilfevollzug gemeinsam im Auge zu behalten.
Unser Zwischenresümee
Welches Zwischenresümee zieht die Sozialplattform Oberösterreich aus den letzten Monaten? Die Vernetzung der oö. Sozialorganisationen zur Vollzugspraxis in Linz lieferte eine fundierte Analyse der Problematiken. Sowohl immer wieder aufgenommene Gespräche mit Politik und Verwaltung als auch das mutige gemeinsame Auftreten nach außen durch Medienarbeit ermöglichte eine breite Sensibilisierung für die mit der Vollzugspraxis verbundenen Problematiken. Ein lösungsorientiertes Vorgehen der Magistratsdirektorin Ulrike Huemer ermöglichte Verbesserungen in essenziellen Kritikpunkten auf der Ebene der Vollzugspraxis. Diese gilt es weiterhin – wie in Aussicht gestellt in Abstimmung mit dem Magistrat – zu reflektieren und daraus auch Veränderungspotenziale für die gesetzlichen Grundlagen zu ziehen, die ganz wesentlich die Ausgestaltung der Sozialhilfe in Österreich bestimmen.
„Finanzielle Grundsicherung ist für Betroffene eine wichtige Voraussetzung für den ersten Schritt aus einer gewalttätigen Beziehung in ein sicheres und unabhängiges Leben.“
Martina Maurer, Gewaltschutzzentrum
„Die Stadt Linz hat mit einer neuen Dienstanweisung einen sensibleren Umgang mit der Sozialhilfe definiert, etwa indem Einzelfälle mit Augenmaß überprüft werden und weniger Bewerbungen notwendig sind.“
Ulrike Huemer, Magistratsdirektorin Linz
"Nach den letzten Gesprächen bin ich zuversichtlich, dass wir gemeinsam auf einem guten Weg sind und es sich ausgezahlt hat, gemeinsam für unsere Klient:innen einzutreten, damit diese wieder leichter Zugang zur Sozialhilfe bekommen."
Michaela Haunold, Caritas OÖ
"Wenn soziale Organisationen zusammenhelfen, können sie viel erreichen."
Josef Pürmayr, Sozialplattform OÖ