Doch welcher Machthaber hat je freiwillig auf seine Macht verzichtet? Auch ich fordere den Machtverzicht der Patriarchen, empfehle aber dringend, diesem Verzicht durch wohlgewählte Druckmomente nachzuhelfen.“ Und dementsprechend empfiehlt der Rechtswissenschaftler Nikolaus Benke weiter, „auf der rechtlich-institutionellen Ebene zu arbeiten: einerseits im rechtspolitischen, die Gesetzgebung gestaltenden Bereich und andererseits auf der Schiene des Vollzugs.“ Auch wenn damit nicht schlagartig Gesinnung(en) geändert würden, so würden doch krasse Ungleichbehandlungen abgestellt oder verhindert und ein gesellschaftspolitischer Diskurs etabliert werden.
Dass es mehr als 30 Jahre nachdem Benke diese „Überlegungen zum Thema Revision der Männlichkeit“ angestellt hat, noch immer und immer wieder notwendig ist, über männliche Privilegien, über Machtanspruch und Gewaltausübung, über Ignoranz und alltägliche Ungleichbehandlung der Geschlechter zu reden und zu schreiben, ärgert und ermüdet die Feministin.
Der mit erhobener Stimme von Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab kürzlich vorgetragene Lobpreis auf die heimische Gesellschaft, in der sich alle gleicher Rechten und Chancen erfreuen, ist angesichts der Daten über Gender Pay Gap, über die unterschiedliche Verwendung von Zeit, über Gewalttaten an Frauen, über Care Arbeit und politische Beteiligung verwunderlich. Eine aktuelle Umfrage des Market-Instituts für den STANDARD zeigt nämlich: Beinahe jede zweite Frau meint, dass Frauen gänzlich oder überwiegend ungerecht behandelt werden.1 Und auf dieser Basis wollen Raab und die ÖVP eine österreichische Leitkultur definieren und etablieren, mit „grundlegenden Regeln unseres Zusammenlebens“ (Raab)? Kleingeisterei besteht im Bemänteln dessen was ist.
Polemisch sage ich: Wenn es jetzt an der Zeit ist, entschlossen und wirksam für ein demokratisches Zusammenleben einzutreten, dann müssen die Privilegienritter von ihrem hohen Ross steigen und sich mit dem bescheiden, was für alle gleichermaßen und gemeinsam da ist. Es gibt keine Demokratie, die diesen Namen verdient, ohne eine Demokratie der Geschlechter.