1. Würden Sie das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ändern und wenn ja, welche konkreten Änderungen würden Sie vornehmen?
GRÜNE: Die Grünen schlagen eine lebenslange und bedarfsorientierte Grundsicherung vor, mit der die Ursachen sozialer Ausgrenzung bekämpft und im besten Fall dann auch überwunden werden können. Das bedarf etwa eines Rechtsanspruchs auf Zugang zu Ausbildung, zu Gesundheitsleistungen, zu Soforthilfe bei existenzieller Bedrohung wie etwa Obdachlosigkeit oder Bedrohung durch Gewalt sowie auf individuelle Betreuung. Diese muss aus unserer Sicht ohne Deckelung auskommen, die ja in Wahrheit oft effektive Hilfe verhindert. Weiters fordern wir eine einheitliche Kindergrundsicherung, damit Kinder in Österreich nicht in Armut leben müssen. Ob diese Änderungen tatsächlich in Form eines Sozialhilfegrundsatzes oder durch eine Verfassungsänderung umgesetzt werden, ist dabei nebensächlich. Uns geht es um das Ergebnis. Um möglichst rasch eine Einigung zu erzielen, schlagen wir die Schaffung einer dazu anordnungsbefugten Stelle vor.
2. Würden Sie den Ausgleichszulagenrichtsatz (dzt. 1.217,96 Euro) auf den Wert der Armutsgefährdungsschwelle (1.572 Euro: 2024) erhöhen?
GRÜNE: Ja. Aber: Die Armutsgefährdungsschwelle ist ein Netto-Jahreswert mit zwölf monatlichen Zahlungen. Umgerechnet auf die österreichische Ausgleichszulage ergibt dies eine monatliche Bruttopension von etwa 1.428 Euro (weil die Ausgleichszulage vierzehn Mal ausbezahlt wird). Darüber hinaus werden bei der Feststellung der Armutsgefährdungsschwelle nach „EU-SILC“ - das ist eine Erhebung über die Lebensbedingungen in der Europäischen Union - auch Wohnbeihilfen und andere Leistungen berücksichtigt. Die Differenz zwischen dem Einkommen von Bezieher:innen einer Ausgleichszulage und der Armutsgefährdungsschwelle ist also deutlich geringer, als es in der Fragestellung den Anschein erweckt. Darüber hinaus wurde die Ausgleichszulage in den vergangenen Jahren unter Grünen Sozialministern fast jedes Jahr überdurchschnittlich erhöht im Vergleich zu den Pensionen. Selbstverständlich sind wir der Meinung, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz weiter in Richtung Armutsgefährdungsschwelle erhöht werden soll. Für mindestens ebenso wichtig halten wir aber Schritte, mit denen die Lebenssituation der ausgrenzungsgefährdeten Menschen verbessert wird, damit die Armutsgefährdung als solche bekämpft wird. Diese Schritte werden wohl über den Zugang zu zusätzlichen Sachleistungen erfolgen müssen.
3. Sozialeinrichtungen berichten über einen wachsenden Teil der Klient:innen, der über keine Krankenversicherung verfügt. Welche Lösungen schlagen Sie für dieses Problem vor?
GRÜNE: Für uns Grüne zählt selbstverständlich zum Ziel einer guten Gesundheits- und Sozialpolitik, dass alle Menschen, die in Österreich leben, auch krankenversichert sind. Wir setzen uns für eine grundlegende Reform der Soziallhilfe und der Mindestsicherung ein, die eine echte Grundsicherung ermöglicht. Hier sind dann auch alle Personen mit einzubeziehen, die aufgrund ihrer sehr prekären Lebenslagen derzeit aus der Krankenversicherung hinausfallen, wie zum Beispiel Studierende, Obdachlose oder Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Kurzfristige Verbesserungsmöglichkeiten sehen wir bei der Verlängerung und der Erweiterung der „Schutzfrist“. Das würde bedeuten, dass die Krankenversicherung länger weiterläuft, es leichtere Möglichkeiten der Selbstversicherung gibt und es eine Unterstützung für all jene Einrichtungen gibt, die Behandlungen auch für Nicht-versicherte anbieten (z.B. Amber-Med, Marienambulanz Graz oder auch die Ordensspitäler).
4. Sollte das Arbeitslosengeld ähnlich anderer Versicherungsleistungen jährlich valorisiert werden?
GRÜNE: Ja, das Arbeitslosengeld soll aus Grüner Sicht jedes Jahr an die Inflation angepasst werden – so wie etwa die die Sozial-, Familien- und andere Versicherungsleistungen. Die automatische Anpassung dieser Leistungen ist ein großer Erfolg der Grünen Regierungsbeteiligung. Das soziale Sicherheitsnetz muss reißfest sein. Das heißt: Es darf nicht sein, dass Menschen, die unverschuldet arbeitslos werden, durch den schleichenden Kaufkraftverlust systematisch in die Armut gedrängt werden.
Menschen, die aufgrund von Krankheit, Alter, Betreuungsverpflichtungen oder mangelnder formaler Bildung in schwierige Lebenslagen geraten, dürfen nicht zusätzlich durch sinkende finanzielle Unterstützung benachteiligt werden. Es wäre nicht nur ungerecht, sondern auch ineffizient, diese Menschen in noch größere Schwierigkeiten zu bringen. Der Erfolg einer sinnvollen Arbeitsmarktpolitik liegt darin, Menschen über den Zugang zu Ausbildung und Unterstützung den Weg in einen gut bezahlten Job mit guten Arbeitsbedingungen zu ermöglichen und nicht darin, Menschen durch existenzielle Bedrohung dazu zu bringen, schlechte Jobs mit schlechter Entlohnung zu akzeptieren.
5. Würden Sie die Arbeitslosenversicherung reformieren und wenn ja, in welcher Form?
GRÜNE: Ja, die Grünen wollen die Arbeitslosenversicherung reformieren, um sie gerechter und inklusiver zu gestalten. Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Betreuungsverpflichtungen oder niedriger formaler Bildung brauchen bessere Unterstützung am Arbeitsmarkt. Dazu zählen neben dem Zugang zu Ausbildung und Qualifikation auch Gesundheitsleistungen, Gewaltschutz, Schuldner:innenberatung sowie Hilfen in besonderen Lebenslagen und auch die notwendige Betreuung und Begleitung bei der Umsetzung der Berufsziele. Wir haben in der Regierung bereits wichtige Erfolge erzielt, wie etwa den Bildungsbonus, die Verdreifachung der Familienzuschläge und das neue Pflegestipendium. Das AMS hat jetzt die Mittel, um allen Menschen zu einem guten Arbeitsplatz zu verhelfen. Unsere Reformen sollen sicherstellen, dass auch wirklich alle Arbeitslosen davon profitieren. Wir setzen uns dafür ein, dass das Arbeitslosengeld erhöht und nach einem Jahr automatisch an die Inflation angepasst wird. Zudem fordern wir einen Rechtsanspruch auf Ausbildung und Qualifikation. Unsere Reformen zielen generell darauf ab, allen Menschen einen fairen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
6. Das AMS-Budget für 2025 wurde gekürzt, deshalb müssen soziale Unternehmen mit arbeitsmarktintegrativen Angeboten ihre Dienstleistungen reduzieren, obwohl die Arbeitslosigkeit steigt. Werden Sie sich dafür einsetzen, ein Zusatzbudget für das AMS zu beschließen und wenn ja, in welcher Höhe bzw. mit welchen Förderschwerpunkten?
GRÜNE: Ja, wir Grüne setzen uns klar dafür ein, dass die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik - dabei geht darum, Personen zu unterstützen, die aufgrund bestimmter Faktoren Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen - auch 2025 erhöht werden und nicht gekürzt. Obwohl es noch kein konkretes Budget für 2025 gibt, ist klar: Gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit brauchen wir mehr Unterstützung für soziale Unternehmen und arbeitsmarktintegrative Angebote und nicht weniger. Die Planungssicherheit für soziale Unternehmen muss gewährleistet sein.
Die Grüne Regierungsbeteiligung hat bereits höhere Mittel für sozialökonomische Betriebe, junge Menschen mit Migrationsgeschichte und mit Behinderungen sowie für Bildungsmaßnahmen wie das Pflegestipendium erreicht. Diese Erfolge müssen fortgeführt und auch im neuen Budget verankert werden. Wichtig ist, dass die Mittel auch effektiv auf Landesebene genutzt werden, um Menschen in wichtigen Zukunftsberufen, wie im Klima- und Bildungsbereich, zu unterstützen
7. Soziale Unternehmen, die vom AMS mit Unterstützungsangeboten für arbeitslose Menschen beauftragt werden, fordern bessere Rahmenbedingungen in der Finanzierung. Konkret sollen Dreijahresverträge (statt dzt. einjährigen Verträgen) dafür sorgen, dass soziale Unternehmen und deren Mitarbeiter:innen mehr Planungssicherheit in ihrer Arbeit haben. Unterstützen Sie diese Forderung?
GRÜNE: Ja, die Grünen unterstützen die Forderung nach Dreijahresverträgen für soziale Unternehmen, die arbeitsmarktintegrative Angebote im Auftrag des AMS durchführen, um eine bessere Planungssicherheit zu gewährleisten. Gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und wachsender Herausforderungen am Arbeitsmarkt ist es wichtig, dass soziale Unternehmen stabile Rahmenbedingungen haben um ihre so wichtige Arbeit machen zu können.
Unsere bisherigen Erfolge in der Arbeitsmarktpolitik, wie die Erhöhung der Mittel für sozialökonomische Betriebe und die Förderung von jungen Menschen mit Behinderungen, zeigen, wie wichtig langfristige Investitionen sind. Dreijahresverträge wären ein logischer nächster Schritt, um diese Erfolge zu sichern und den Mitarbeiter:innen der sozialen Unternehmen die nötige Sicherheit zu bieten, um ihre Arbeit nachhaltig fortzuführen.
8. Die steigenden Wohnkosten sind für einen großen Teil der Bevölkerung ein Problem. Welche Schritte kann der Bund setzen, um zur Verbesserung der Situation am Wohnungsmarkt beizutragen?
GRÜNE: Wir Grüne haben in der Bundesregierung für einen Mietpreisdeckel gekämpft und: Wir haben uns durchgesetzt. Außerdem sprechen wir Grüne uns für gesetzlich festgelegte Höchstmieten aus. Das Mietrecht muss fair, ökologisch und transparent umgestaltet werden. Freie Preisbildung soll es für Neubauwohnungen bis 25 Jahre nach deren Erbauung geben. Danach soll eine moderate Grundmiete mit verschiedenen Zu und Abschlägen gelten. Und es braucht weiterhin mehr Investitionen in den gemeinnützigen Wohnbau, denn dieser ist immer noch die beste Mietpreisbremse.
9. Das Sozialministerium fördert das erfolgreiche Projekt „zuhause ankommen“ das wohnungslosen Menschen nach dem Housing First-Ansatz eine eigene Wohnung und sozialpädagogische Unterstützung zur Verfügung stellt. Werden Sie sich für eine Fortführung des Projekts einsetzen?
GRÜNE: Ja. Obdach- und wohnungslose Menschen erleben eine der schlimmsten Formen von Armut und Ausgrenzung. Mit „housing first österreich – zuhause ankommen“ ermöglichen wir Betroffenen den Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Sozialorganisationen und gemeinnützige Bauträger bilden dabei eine Allianz zur Beendigung der Wohnungslosigkeit. Genau diese breite Zusammenarbeit brauchen wir, damit wohnungslose Menschen die Hilfe erhalten, die sie brauchen.
10. Der Demokratiemonitor erhebt regelmäßig, dass Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel eine besonders niedrige Wahlbeteiligung haben. Welche demokratiepolitischen Schritte würden Sie setzen, um diese Personengruppe zu erreichen und die Wahlbeteiligung zu erhöhen?
GRÜNE: Demokratie bedeutet Mitbestimmung. Und genau diese Bedeutsamkeit von Demokratie und Partizipation müssen wir den Menschen näherbringen. Die meisten Menschen erreicht man über den Bildungsweg. Wir Grüne haben hier in den letzten Jahren mit den neuen Lehrplänen zu politischer Bildung sowie dem fächerübergreifenden Fokus zur Demokratiebildung in den Schulen dafür gesorgt, dass die Demokratievermittlung im schulischen Bereich erhöht wird. Ebenfalls werden in Schulen partizipative Projekte zur Mitbestimmung im Schulalltag forciert. Vom Bildungsbereich abgesehen kann man mit einer guten Vertretung im Straßenwahlkampf ebenfalls die Sichtbarkeit von Wahlen erhöhen und niederschwellig offene Fragen beantworten, um Menschen die Wichtigkeit von Demokratie und Mitbestimmung näherzubringen.